Lichtschatten

Prolog

Es war finster und kalt. Giha fror. Ihr Kleid war vom Regen durchnässt und die Glieder darunter schlotterten. Der Mond hätte am Himmel sein müssen, das Licht hätte da sein müssen. Aber das war es nicht. Nur wer dem Licht diente, durfte etwas sehen. Das Licht war schrecklich. Ein Tyrann. Auch der Mond war ein König, jedoch ein guter. Wäre er noch am Leben, so würde er den verbannten den Weg durch die Nacht und Finsternis zeigen. Giha strich sich eine schwarze Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Sie sah empor, nach dort, wo sie den Himmel vermutete. Alles war schwarz. Oben war unten, rechts war links. Zeit? Sie existierte nicht. Hier, am Ort der Verbannten blieb man für immer. Ohne Licht. Und ohne Hoffnung. „Es ist gefährlich“, ertönte plötzlich die Stimme eines Mannes aus dem Dunkel der Nacht. Er war Zaz, Gihas Bruder. Wäre der Mond noch am Leben, so hätte Zaz die Bleiche in dem Gesicht seiner Schwester erkennen können. Doch auch ohne das kleinste Lichtlein konnte er die Zweifel aus ihrer Stimme hören. Einen Moment lang schwiegen sie Beide. Dieser Moment war endlos. So wie alles in diesem Reich. Verbannte konnten miteinander sprechen und sich hören. Aber sie konnten sich nicht sehen und nicht berühren, sich nicht in den Arm nehmen und keinen Mut geben. Das Licht verhinderte es. „Es muss sein“, sagte Giha dann auf einmal. Sie war entschlossen, ihren Plan in die Tat umzusetzen. „Nimm meine Hand“, sagte die Zwanzigjährige und schloss ihre Augen. Sie streckte ihre offene Hand aus. „A-aber“, wandte ihr 3 Jahre älterer Bruder ein, „Das.... Es ist uns nicht möglich, uns an den Händen zu fassen!“ Zaz spürte auf einmal den Schmerz einer Ohrfeige. „Dummkopf“, murmelte Giha, „Wozu haben wir einen Willen, wenn wir ihn nicht durchsetzen können? Zwar kann das Licht unsere Körper fernhalten, aber die Seele eines Wesens kann sie nicht binden!“ Einen Moment lang zögerte Zaz, dann schloss auch er seine Augen und ergriff vor geistigem Auge Gihas Hand. Er fühlte die Wärme ihres Körpers wie auch sie die seine. „Und nun sprich die Worte, die der Mond uns beigebracht hat“, befahl Giha ihrem Bruder. Dieser zögerte kurz, dann nickte er. Zwar konnte seine Schwester dies nicht sehen, aber sie wusste genau, dass Zaz zu ihr halten würde. „ton ni dnis riw nned, nedleh eckichs, schicke Helden, denn wir sind in Not!“ Erstmals seit Jahren erhellte ein Blitz die Dunkelheit. Diese Finsternis schützte Giha und all die anderen Verbannten vor der Zeit und somit vor dem Tod. Doch der Blitz war nicht wie andere Blitze, er wurde immer heller. Auf einmal zersprang er und viele kleine Lichtkugeln trafen vor den Geschwistern auf den Boden. Um Zaz und seine Schwester herum wurde es langsam hell. Sie konnten etwas sehen. Diese Lichtkugeln verformten sich. Es waren die Helden.... Oder?

 
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